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Reicht Sensibilisierung? Wie sich die Stadt vor Hitze schützen will

MUCBOOK Redaktion

Hitze gefährdet die Gesundheit und schadet der Wirtschaft. Hitzewellen treten zunehmend häufiger auf. Die  Stadt scheint dabei bisher vor allem auf Sensibilisierung zu setzen. Reicht das?

von Klara Berz und Moritz Müllender

Ein typischer Tag im August: Rund um das Sendlinger Tor drückt die Luft. Ladenbesitzer*innen versuchen, ihre Geschäfte abzukühlen. Aber die Luft bleibt stickig. Die Autos stecken in der Hitze fest. Die Fahrer*innen lassen den Motor laufen, um ihre Klimaanlagen zu nutzen. Das Sendlinger Tor gehört zu den sogenannten Wärmeinseln in der Innenstadt. Orte, wo es besonders wenig Grünes, aber viel Verkehr, Beton und wenig Zugluft gibt. Diese erhitzen sich noch stärker als Ballungsräume das ohnehin tun.

Hitzewellen – also mehrere Tage hintereinander mit über 30 Grad – sind längst keine Seltenheit mehr. Besonders für Säuglinge, Kleinkinder, ältere Menschen und pflegebedürftige oder kranke Menschen ist die Hitze gefährlich. Und ab einer sogenannten Feuchtkugeltemperatur von 35 Grad wird die Hitze für jeden Organismus zur Belastung. Dann überhitzt der Körper und kann sich nicht ausreichend durch Schwitzen abkühlen. Die Feuchtkugeltemperatur zeigt, wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur zusammenwirken. Wenn es sehr feucht ist, wird der Körper stark belastet. Denn die Luftfeuchtigkeit kann die Verdunstung von Schweiß verhindern und so die körpereigene Kühlung verunmöglichen.

Bundes- und Landesminister wollen Pläne

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat im Juli 2023 erstmals einen bundesweiten Hitzeschutzplan vorgelegt. Er will damit die Bevölkerung sensibilisieren, insbesondere vulnerable Gruppen, wie etwa Alte, Junge oder Menschen mit Vorerkrankungen. Das Robert-Koch-Institut etwa schätzt, dass 2022 deutschlandweit 4500 und 2023 3200 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben sind. Da der Süden Deutschlands besonders von Hitze betroffen ist, liegt nahe, dass hier mehr Menschen unter den gesundheitlichen Folgen leiden.

Umso wichtiger ist also, dass lokale Maßnahmen ergriffen werden. Das findet auch der bayerische Gesundheitsminister: „Pläne rein auf nationaler Ebene bringen wenig“, sagt Klaus Holetschek. „Zentraler Baustein der Hitzeprävention sind Hitzeaktionspläne auf kommunaler Ebene, passgenau für jede Gemeinde.“

Was die Stadt tun will

Wie kann die Stadt München ihre Bürger*innen während Hitzewellen schützen? Tut sie genug?

In einer gemeinsamen Antwort der Referate für Gesundheit, Klima- und Umweltschutz, Bau, und Soziales sieht die Stadt sich auf gutem Weg. „Klimaanpassung ist insbesondere vor dem Hintergrund der sich verändernden klimatischen Bedingungen und des dynamischen Wachstums der Stadt eine Daueraufgabe für die Stadt München“, schreibt eine Sprecherin.

Bereits 2016 habe die Stadt das „Maßnahmenkonzept Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt München“ entwickelt. Im Oktober 2022 beschloss der Stadtrat dann die Fortschreibung des „Klimaanpassungskonzeptes“. Dabei sei eine Anpassung an Hitzeereignisse zentraler Baustein des Konzepts. Die Stadt wolle grün-blaue Infrastruktur ausbauen, das heißt mehr Pflanzen und Wasser in der Stadt und für die Folgen von Hitze sensibilisieren.

Doch das sind langfristige Ziele, deren Umsetzung Jahre dauert. Angesichts akuter Hitzeereignisse setzen viele der Hitzepläne deutscher Kommunen derzeit vor allem darauf, vulnerable Gruppen zu sensibilisieren. Ihnen wird geraten, wie sie sich bei Hitze am besten verhalten. So auch in München. Auf einer Webseite gibt die Stadt Tipps: Schaffen sie sich eine möglichst kühle Umgebung, kühlen sie ihren Körper ab, trinken sie regelmäßig und ernähren sie sich bewusst. Auch auf unsere Anfrage verweist die Stadt vielfach auf Informationskampagnen und Sensibilisierungsmaßnahmen.

Doch reicht die Sensibilisierung? Wälzt man so nicht die Verantwortung für das Überleben bei Hitze auf die Einzelnen und die Institutionen – etwa für die Altenpflege – ab?

Die Ideen sind da…

Was strukturell machbar wäre, zeigt ein Dokument aus dem Landesamt für Gesundheit Bayerns. Darin finden sich neben der Sensibilisierung noch einige weitere probate Maßnahmen: Eine Verzeichnis von kühlen Orten, temporär autofreie Straßen mit schattigen Sitzgelegenheiten sowie die Installation von Trinkbrunnen.

Die Stadt schreibt dazu, man befasse sich mit strukturellen Maßnahmen, wie der kartografischen Darstellung von kühlen Orten und Wegen. Was das konkret heißt und ob kühle Orte auch aktiv gesucht und eingerichtet werden, geht aus der Antwort nicht hervor. Nach MUCBOOK-Informationen hat das Erzbistum München-Freising der Stadt angeboten die Kirchen als kühle Räume zu nutzen, sie mit Trinkwasser zu bestücken und auch auszuschildern. Das Gesundheitsreferat schreibt dazu: Man begrüße ausdrücklich das Angebot, Kirchen auch dieses Jahr wieder als kühle Orte anzubieten und stehe diesbezüglich mit dem Erzbistum in Kontakt. Eine Karte kühler Orte befinde sich derzeit im Aufbau.

Zudem will die Stadt 100 weitere Trinkbrunnen errichten und richtet wieder sogenannte „Sommerstraßen“ ein. Das sind temporär verkehrsberuhigt Straßen mit zusätzlichen Sitzgelegenheiten und Schatten. Eine Karte der Stadt zeigt die bereits existierenden Brunnen.

Work in Progress

Verkehr, Bau, Gesundheit, Klima: „Hitzeschutz ist eine Querschnittsaufgabe aller städtischen Referate”, sagt Sofie Langmeier. Die Stadträtin von den Grünen ist gelernte Altenpflegerin und Sozialpädagogin und sitzt im Gesundheitsausschuss. Wie bewertet sie den Hitzeschutz in München?

“Grün-Rot hat im Sommer 2022 einen Antrag gestellt, ein Konzept zu entwickeln. Das ist inzwischen sehr weit fortgeschritten und wird bald vorgestellt.” sagt Langmeier. Aber auch ohne diese Gesamtkonzept passiere schon viel – aber es bleibe auch viel zu tun. Die Stadt wolle sich dabei erstmal auf vulnerable Gruppen konzentrieren und die Menschen sensibilisieren. Auch die Verkehrswende, Entsiegelung von Flächen und Begrünung nennt Langmeier als Projekte, die langfristig die Stadt abkühlen. Zudem könnten öffentliche Gebäude Trinkbrunnen anbringen, wünscht sich Langmeier.

Das neben akuten Maßnahmen der Wandel von Städten zentral ist, um Menschen or Hitze zu schützen, betont Antonia Peiler. Sie ist Ärztin und Aktivistin bei  Health for Future (HfF). „Ohne einen gesunden Planeten, gibt es auch keine gesunden Menschen“, sagt Peiler. Sie beklagt zudem, dass arme Menschen von den aktuellen Hitzeschutzmaßnahmen oft kaum erreicht würden. In der Zusammenarbeit mit HfF fehlt Peiler die Unterstützung der Stadt. Diese sei an Projekten und Aktionen wenig interessiert. „Das ist echt frustrierend!“, sagt Peiler.

Der Sommer kommt

Was tut also die Stadt München im Sommer 2024 in der nächsten Hitzewelle, die ja durchaus in wenigen Monaten, wenn nicht Wochen über den Münchner Dächern flirren könnte? „An kühlen Räumen und Trinkbrunnen, da sind wir im Augenblick dran”, sagt die Grünenpolitikerin Langmeier. Darüber wolle der Gesundheitsausschuss, wenn alles nach Plan läuft, im Juni beraten, sagt Langmeier. Ein bereits geltender Hitzeaktionsplan für München solle im Sommer angepasst werden. „Kühle Räume sind gut, wenn man unterwegs ist, aber die Stadt muss so sein, dass man sich auch in der Wohnung wohl fühlen kann”, sagt Langmeier. Dafür brauche es vor allem Entsiegelung und mehr Grün – zuvorderst in der Innenstadt. Auch die Bebauung von bisherigen Freiflächen ist ein Problem. So fordert der Seniorenbeirat der Landeshauptstadt München Frischluftschneisen auszubauen und zu erhalten. Frischluftschneisen sind Wege oder Korridore, die kühlere und frischere Luft von ländlichen Gegenden oder Gewässern in die Städte leiten.

Inspiration für weitere Maßnahmen kommt aus Frankreich: Paris bietet seinen Bürger*innen während Hitzewellen Zugang zu öffentlichen Schwimmbädern und setzt mobile Trinkwasserstationen ein.

Auch Wirtschaft braucht Hitzeschutz

Aber nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Wirtschaft profitiert von einer kühleren Stadt. Hitze dagegen schadet ihr. Hohe Temperaturen greifen die Infrastruktur an. Menschen können bei hohen Temperaturen im Freien nicht mehr risikofrei arbeiten. Asphalt etwa kann bei extremer Hitze schmelzen und Spurrinnen bilden. Auch das Material von Brücken und Gebäuden kann sich ausdehnen. Der hohe Bedarf an Kühlung kann das Stromnetz überlasten und zu Stromausfällen führen. Insgesamt verursachte der Klimawandel nach Schätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima in den Jahren 2000 bis 2021 bereits Schäden in Höhe von mindestens 145 Mrd. Euro. Bis zum Jahr 2050 könnten sich die Schäden auf 280 bis 900 Mrd. Euro belaufen. Zum Vergleich: Die gesamten geplanten Ausgaben im Bundeshalt 2024 liegen bei etwa 477 Mrd. Euro.

Wie wirksam die Bemühungen in München sind, Menschen und Wirtschaft vor Hitze zu schützen, wird die Fortschreibung des kommunalen Hitzeaktionsplan zeigen – und die nächste Hitzewelle.

Beitragsbild: Hans Reniers // Unsplash

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